Der Klügere denkt nach.
Autor: Heinz-Josef Simons
So machen Sie Ihr Vermögen wetterfest für den Ruhestand.
Sie durchlaufen das letzte Drittel der 50er, in nicht allzu langer Zeit werden Sie zum sechsten Mal nullen. Schon vor einiger Zeit haben Sie drei Kisten eines vorzüglichen Champagners gekauft – zu einem Preis, bei dem so manch einem Hören und Sehen vergehen. Aber, standhaft und diszipliniert, haben Sie bislang noch keine einzige Flasche auch nur berührt.
Das prickelnd-perlige Nass verwahren Sie wohlbehütet und bei angemessener Temperatur in der hintersten Ecke Ihres Vorratskellers. Knallen werden die Korken an jenem vermutlich denkwürdigen Tag, an dem sie 66 werden. Bekanntlich fängt in diesem Alter das Leben erst an … und dauert statistisch betrachtet mittlerweile länger, als Udo Jürgens seinerzeit vermutete.
Durchschnittliche Lebenserwartung vs. gesetzliche Rente & Vermögen.
Insbesondere der medizinische Fortschritt, doch auch bessere Hygiene, Ernährung und Wohnsituation sowie angenehmere Arbeitsbedingungen und materieller Wohlstand führen zu einem deutlichen Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung. Die aktuelle Sterbetafel (2020/2022) nennt 78,3 Jahre bei Männern sowie 83,2 Jahre bei Frauen.
Zum Vergleich: Bei Veröffentlichung der ersten Allgemeinen Sterbetafel (1871/1881) hatten Männer bei ihrer Geburt eine Lebenserwartung von 35,6 Jahren, Frauen von 38,5 Jahren.
So erfreulich ein langes Leben – wohlgemerkt bei nicht allzu großen geistigen und körperlichen Einschränkungen – auch sein mag, eher früher als später stellt sich die Frage nach der Finanzierbarkeit des wohlverdienten Ruhestands. Ein auskömmlicher Herbst bzw. Frühwinter des Lebens resultiert in der Regel aus dem hoffentlich harmonischen Dreiklang von gesetzlicher Rente, staatlich geförderter sowie privater Altersvorsorge.
Welches Rentenniveau haben wir in Zukunft?
Das weiß heute niemand. Bis zum Jahr 2025 hat der Gesetzgeber ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent des letzten Einkommens garantiert – für den sogenannten Eckrentner, von denen es nur vergleichsweise wenige gibt. Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig? Leider wohl zu oft.
Genau deshalb gewährt der Gesetzgeber eine doch ansehnliche (Steuer)Förderung beim Riestern, beim Abschluss einer Basis-Rente („Rürup-Rente“) sowie bei der betrieblichen Altersversorgung. Wohl dem, der aufgrund seines auskömmlichen Einkommens überdies in die private Altersvorsorge investieren kann.
Mit das beliebteste Instrument – sofern wir Versicherungsprodukte einmal links liegen lassen – der eigenen Zukunftsvorsorge ist selbstgenutztes Wohneigentum, aus steuerlichen Gründen bisweilen gepaart mit einer vermieteten Investmentimmobilie. Auf den Plätzen folgen Anleihen, Aktien und Aktienfonds sowie Edelmetalle gleichsam als Krisenschutz und eiserne Reserve.
Die Höhe der gesetzlichen Rente lässt sich, weil abhängig von den Entscheidungen des Gesetzgebers, nicht beeinflussen. Die Höhe der staatlich geförderten Rentenprodukte ist normalerweise garantiert bzw. mit den Vertragspartnern (in der Regel Versicherungsgesellschaften) vereinbart.
Beide sind somit praktisch gesetzt und bilden eine vergleichsweise solide Basis für den finanziell halbwegs auskömmlichen Ruhestand. Interessant wird die ganze Sache bei den Investments im Rahmen der rein privaten Altersvorsorge. Diese unterliegen ungefiltert den Entwicklungen an den Immobilien- und Kapitalmärkten.
Mit Mitte 50 und einigem Vermögen in der Hinterhand geht es um die bestmögliche Strategie, damit die Habe in den nächsten Jahrzehnten möglichst nicht dahinschmilzt, sondern deren Wert im Idealfall noch wächst und zusätzlich ausreichend Erträge wie Zinsen und Dividenden abwirft. Hierzu meine Anmerkungen, Vorschläge und Ideen.
Bestandsaufnahme – das Vermögen heute.
Bestandsaufnahme – das Vermögen heute. Sie sind Mitte, vielleicht Ende 50. Sie waren und sind nach wie vor beruflich etabliert und erfolgreich. Dies spiegeln nicht zuletzt Ihre momentanen Vermögenswerte, selbst wenn Sie das nicht an die große Glocke hängen, weil bei uns in Deutschland Sozialneid nach Versicherungsbetrug und Steuerschummeleien das beliebteste Hobby ist.
Ohne Sie zu kennen oder jemals gesprochen zu haben, vermute ich, dass die folgende Vermögensübersicht (ob nun in Gütergemeinschaft mit Ihrer Partnerin/Ihrem Partner oder nicht) der Wirklichkeit recht nahe kommt. Dabei lasse ich Ihre Rentenansprüche und die vereinbarten Leistungen aus der geförderten Altersvorsorge bewusst außer Acht:
- Wohneigentum und eine vermietete Wohnung, die insgesamt praeter propter gut eine halbe Million Euro wert sind,
- Festzinspapiere im Nominalwert von mehreren 10.000 Euro
- Aktien und Aktienfonds
- vielleicht ein paar Goldmünzen sowie
- mehrere 10.000 Euro auf dem Tagesgeldkonto gleichsam als mobile Einsatzreserve
Alles in allem summieren sich die Vermögenswerte auf doch spürbar mehr als eine Million Euro. Strategisch sinnvoll ist es nunmehr, die kommenden Jahre und Jahrzehnte zu teilen. Nämlich in die …
- … 10, vielleicht auch nur 5 Jahre bis zum Rentenbeginn und
- … die restliche Zeit. Mag sein 10, 20 oder vielleicht noch mehr Jahre – das weiß niemand.
Vermögensstrategie bis zum Renteneintritt.
Das jetzt vorhandene Vermögen und jenes, das im Idealfall noch hinzukommt, soll später eine Rente ohne (große) Entbehrungen ermöglichen. Nunmehr kommt es darauf an, die vorhandene Habe so gut es eben geht vor Verlusten zu schützen, vielleicht sogar zu mehren. Eventuell gelingt es sogar, nach Steuern und inflationsbereinigt 1 oder 2 Prozent Rendite im Jahr zu erwirtschaften. Das ist mehr, als die meisten Menschen schaffen. Dabei dienen die folgenden Tipps nur der Orientierung. Denn jeder muss auf Basis seiner persönlichen Risikobereitschaft entscheiden, ob dies der passende Weg ist. Die Leitlinien:
- Immobilie(n) entschulden. Selbstgenutztes Wohneigentum hat steuerlich keine Vorteile, somit kostet das Häusle am Stadtrand Darlehenszinsen und Liquidität. Überlegenswert ist auch, das Darlehen der vermieteten Wohnung zurückzuzahlen. Aber: Dies sollte eher nicht vor dem Renteneintritt geschehen, weil bis dahin – insbesondere bei einem höheren Einkommen – der Schuldendienst Steuern spart. Da Ruheständler aufgrund des fehlenden Erwerbseinkommens milder besteuert werden, ist der Renteneintritt das ideale Datum, um auch die Anlage-Immobilie schuldenfrei zu stellen.
- Schrittweise Reduzierung der Marktrisiken. Falls das Wertpapierdepot momentan vergleichsweise aktienlastig ist (wozu auch Aktienfonds und ETFs gehören – nebenbei bemerkt: Dies dürfte in den vergangenen Jahren zu erheblichen Vermögenszuwächsen geführt haben –), sollte allmählich das daraus resultierende Risiko verringert werden. Heißt also: Aktienengagements bis zum Rentenbeginn peu à peu reduzieren zugunsten verzinster Anlageformen. Vorteil: Der Wert des Vermögens lässt sich weitestgehend sichern, zugleich besteht die Chance, dass die verbliebenen börsennotierten Unternehmensbeteiligungen ihren Gewinn- bzw. Renditebeitrag leisten.
Vermögensstrategie mit Rentenbeginn.
Liquide, (nach menschlichem Ermessen) sicher und ertragsorientiert – so sollte das Vermögen bei Rentenbeginn strukturiert sein. Dazu bedarf es normalerweise nur einiger weniger Handgriffe, die bei genauerer Betrachtung wahrlich kein Hexenwerk sind.
Immobilien verwerten.
Angenommen, sowohl die Wohnimmobilie als auch das Mietobjekt sind lastenfrei, wie oben empfohlen – dann ist folgende Strategie sinnvoll:
- Tausch des mittlerweile recht pflegeintensiven Wohnhauses gegen eine kleinere und den aktuellen technischen Standards entsprechende Wohnung. Die Differenz zwischen Verkaufserlös und Kaufpreis wird auf einem Tagesgeldkonto geparkt, bis eine ENtscheidung über die weitere Verwendung getroffen wurde.
- Veräußerung der Mietwohnung. Diese wirft zwar Erträge in Form von Mieteinnahmen ab. Doch aufgrund der steuerlichen Situation im Alter (weniger Einnahmen) resultieren aus den Darlehenszinsen und den vermutlich stetig steigenden Instandhaltungskosten, die im Übrigen zunehmend Liquidität kosten, nicht mehr so hohe Steuerersparnisse wie während des Erwerbslebens. Außerdem: Es gibt keine Bundesanleihe, die mitten in der Nacht anruft und sich über einen tropfenden Wasserhahn beschwert. Erneut parken Sie den Verkaufserlös auf einem Tagesgeldkonto, wovon Sie anschließend einen großen Teil anlegen können.
Ertrag bringende Anlagen neu strukturieren.
In den Jahren vor Beginn der Rente wurde ein beträchtlicher Teil der Risiko-Investments (Aktien und Aktienfonds) in risikoärmere, zugleich Ertrag bringende Anlageformen umgeschichtet. Mit Beginn des Rentenalters ist in jedem Fall eine Überprüfung der bestehenden Engagements sinnvoll.
Gegebenenfalls kommt eine Anpassung infrage, indem ein Teil der auf dem Tagesgeldkonto geparkten Liquidität in Ertrag bringende Anlageformen umgeschichtet wird. Da die Anleihen-Renditen seit ihrem zyklischen Hoch nach Ausbruch des Ukraine-Krieges und Beginn der Energiekrise mittlerweile wieder gesunken sind, spielen vor allem die Kosten der Investments eine wichtige Rolle.
Heißt: Direkt-Investments in Euro-Anleihen sind aufgrund der Kostenersparnisse (keine Management Fees und andere Anwendungen) unter dem Strich ertragreicher als etwa Rentenfonds oder offene Immobilienfonds. Kursschwankungen börsennotierter Schuldverschreibungen sind irrelevant, falls die Papiere bis zur Fälligkeit und somit der Tilgung zum Nominalwert gehalten werden.
Risikobereite Anleger ergänzen ihre Ertrag bringenden Investments durch sogenannte REITs, Real Estate Investment Trusts. Das sind insbesondere US-amerikanische börsennotierte Immobilienaktien, die traditionell eine hohe Ausschüttungsrendite (Dividende) von oft mehr als 5 Prozent bieten. Achtung: Da die US-Immoaktien in Dollar an der Börse notieren, bestehen für in Euro rechnende Anleger Währungsrisiken. Mögliche Kursrisiken kommen noch on Top.
Aktieninvestments nicht vergessen.
Ein Teil des Vermögens kann und sollte der längerfristigen Rentabilität zuliebe auch in Risikopapieren angelegt werden. Die Entscheidung für nur wenige einzelne Aktien in der Hoffnung auf eine prima Performance dürfte ein Glücksspiel sein. Auch gemanagte Aktienfonds sind eher höchstens zweite Wahl, weil deren Kosten – jährlich bis zu 2 Prozent vom Fonds-Vermögen und mehr – die Bruttorendite spürbar schmälern.
Erste Wahl hingegen sind ETFs (Exchange Traded Funds), Indexfonds also. Die Auswahl ist riesig. Bei der Auswahl sollte darauf geachtet werden, welcher Markt mit dem jeweiligen Fonds abgebildet wird. Mit einem ETF auf den Eurostoxx und den MSCI World ist der Anleger erfahrungsgemäß auf Dauer gut bedient.
Tagesgeld – Rendite und Liquidität ohne Risiko.
Tagesgeld ist bei näherer Betrachtung kein echtes Investment, sondern marktgerecht verzinste, jederzeit verfügbare Liquidität. Das Gesamtportfolio ist längerfristig so strukturiert, dass allein die regelmäßigen Erträge daraus mehr als ein ordentliches Zubrot zur Rente sein können. Ein paar 10.000 Euro auf einem Tagesgeldkonto können demnach größere unvorhergesehene Ausgaben abdecken.
In Würde alt werden ...
… ist nicht nur, aber auch eine Frage des Geldes. Wer es selbst in der Hand hat, sein Vermögen so zu strukturieren, dass es künftig praktisch allen Stürmen standhält, kann sich glücklich schätzen. Auch zur Freude der Erben im Übrigen ...
Über den Autor.
Heinz-Josef Simons, Jahrgang 1956, arbeitet seit gut 30 Jahren als Wirtschafts- und Finanzjournalist, überdies seit rund zehn Jahren als Kommunikationsberater.
Nach seinem Magister-Abschluss an der RWTH Aachen in den Fächern Germanistik, Anglistik und Politische Wissenschaft waren die ersten beruflichen Stationen Mitte der 1980er Jahre der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen (Pressesprecher) sowie bis Mitte der 1990er Jahre einer der größten deutschen Finanzvertriebe (Kommunikationschef und Redenschreiber).
Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet er frei. Geschrieben hat er unter anderem für Financial Times Deutschland, Börse Online, das frühere Verbrauchermagazin DM, GeldIdee, Impulse, Capital, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel, Immobilien Manager und zahlreiche andere.