Finanzen verstehen. Zukunft gestalten.
  • 22.07.2024
  • 5 Minuten

Mit kühlem Kopf und aus der warmen Hand.

Autor: Heinz-Josef Simons

So sorgen Sie am besten für sich und Ihre Lieben vor.

In unserem Kulturkreis ist der Tod nach wie vor ein Tabuthema. Die meisten Menschen haben Hemmungen davor, sich mit dem eigenen Ableben zu beschäftigen. Themen und Aufgaben, die mit dem endgültigen Abschied von der Welt, von der Familie und von Freunden zu tun haben, werden – soweit möglich – ignoriert.

So regeln nur rund 26 Prozent aller Menschen in Deutschland den eigenen Nachlass durch ein Testament oder einen Erbvertrag – so das Ergebnis einer 2024 veröffentlichten Umfrage von TNS Infratest im Auftrag des Deutschen Forums für Erbrecht.

Doch jeder kann und – vor allem – sollte schon zu Lebzeiten dafür sorgen, dass er bei den Hinterbliebenen in guter Erinnerung bleibt. Dazu gehört auch, dass die trauernden Angehörigen nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden und sich gleich nach dem Leichenschmaus – sinnbildlich – an die Gurgel gehen, weil der eine oder die andere leer ausgeht oder weniger bekommt als erhofft.

Das lässt sich schon früh durch eine kluge Strategie für die Vermögensübertragung regeln. So weiß jeder lange vor dem großen Abschied, woran er ist und womit er rechnen kann – falls überhaupt.

Testament, Erbvertrag, gesetzlicher Erbfall.

Der „letzte Wille“ ist etwas, das von den lieben Verwandten manchmal heiß ersehnt, bisweilen auch gefürchtet wird. Jener letzte Wille bietet häufig den Stoff, aus dem Hollywood-Komödien und -Tragödien gezimmert werden. Doch Hollywood ist weit – das Thema „Erben“ hingegen kann jedem schnell sehr nah gehen.

Bei uns in Deutschland gilt: Falls der „letzte Wille“ nicht durch ein gültiges Testament oder einen Erbvertrag geregelt ist, greift automatisch die sogenannte gesetzliche Erbfolge. Rechtliche Grundlage ist das BGB, das die Angehörigen auf unterschiedliche „Ordnungen“ verteilt. Faustformel: je enger der Verwandtschaftsgrad, desto höher die Ordnung. Die erste Ordnung schließt Erben anderer Ordnungen aus. Allerdings spielt der Ehepartner/die Ehepartnerin bei der gesetzlichen Erbfolge eine besondere Rolle.

Älteres Paar spielt im Garten mit Enkeltochter

Sollte der Erblasser andere Erben oder eine andere Verteilung des Erbes erwirken wollen, muss er ein entsprechendes Testament verfassen. Wichtig: Das „eigenhändige“ Testament muss vom ersten bis zum letzten Buchstaben handschriftlich verfasst und unterschrieben sein. Wurde das Testament auf dem Laptop oder gar der Schreibmaschine getippt oder fehlt die Unterschrift, ist es ungültig, und die gesetzliche Erbfolge greift. Bei einem gemeinschaftlichen Testament ohne Beteiligung eines Notars muss ein Ehegatte alles eigenhändig niederschreiben und beide Eheleute müssen unterschreiben. Kinder unter 16 Jahren dürfen noch kein Testament verfassen, Jugendliche von 16 bis 18 Jahren dürfen schon ihren „letzten Willen“ regeln – doch nur beim Notar. Details finden sich in den §§ 2247 und 2267 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Alternativ gibt es auch die Möglichkeit eines Erbvertrags, den mindestens zwei Menschen abschließen, wenn sie eine unwiderrufliche Erbregelung treffen und sich damit mehr Sicherheit bieten wollen. Wichtig: Der Erbvertrag muss notariell beurkundet werden. Voraussetzung ist überdies, dass der Erblasser testierfähig und voll geschäftsfähig ist. Die Höhe der Notargebühren hängt vom sogenannten Geschäftswert ab, welcher in der Regel dem Wert des Vermögens entspricht. Bei einem Vermögenswert von 100.000 Euro beispielsweise beträgt die Notargebühr rund 700 Euro, bei 1 Million Euro Vermögenswert fallen rund 4.200 Euro an.

Der Sonderfall – Erben in der Ehe.

Bei Ehepartnern gilt im Regelfall ein eigenes Erbrecht, falls die Ehe nicht geschieden wurde. Am häufigsten verbreitet ist der sogenannte Güterstand der Zugewinngemeinschaft, auch als „Gesetzlicher Güterstand“ bezeichnet. Der/die Hinterbliebene erhält – sofern es nicht vorab anders geregelt wurde – die Hälfte des Vermögens, der Rest entfällt auf die Kinder, sofern vorhanden. Bei kinderlosen Ehepaaren ist ein Testament nötig, falls der überlebende Ehepartner das gesamte Vermögen erhalten soll.

Das Berliner Testament – der Klassiker.

Häufig entscheiden sich Eheleute auch für ein Testament. Der Klassiker ist das „Berliner Testament“, bei dem sich Frau und Mann gegenseitig als Erben einsetzen – mit der Vorgabe, dass nach dem Tod des länger Lebenden das Vermögen an Dritte, zum Beispiel an die Kinder, weitergegeben werden soll.

Vorteil des „Berliner Testaments“: Der überlebende Ehepartner ist versorgt. Aber unter steuerlichen Gesichtspunkten ist dieser Klassiker unter den Testamenten oft das Dümmste, was Eheleute machen können – zumindest, sobald das Vermögen hoch sechsstellig oder gar siebenstellig ist.

Hintergrund: Bei Vermögensübertragungen wie Erbschaften und Schenkungen ist das Finanzamt grundsätzlich mit von der Partie. Ob und in welchem Umfang der Fiskus zugreift, hängt vom Verwandtschaftsgrad des Erblassers zum Begünstigten und vom Wert des gesamten übertragenen Vermögens ab.

Die Steuerklassen beim Erben und Schenken.

Wird das Vermögen weitergegeben, genehmigt der Gesetzgeber den Begünstigten (= Beschenkten bzw. Erben) Freibeträge. Diese Freibeträge gelten bei Erbschaften und bei Schenkungen. Zu diesem Zweck werden die Begünstigten – meist Angehörige – auf drei Steuerklassen verteilt: Steuerklasse I, Steuerklasse II und Steuerklasse III. In der Klasse I sind die Freibeträge am höchsten, weil darin die nächsten Verwandten zu finden sind. In den Steuerklassen II und III ist der Freibetrag mit 20.000 Euro kaum noch der Rede wert.

 

Begünstigte

Freibetrag

Steuerklasse I

Ehegatte/eingetragener Lebenspartner

500.000 Euro

Steuerklasse I

Kinder/Stiefkinder

(Enkelkinder, die anstelle ihrer verstorbenen Eltern treten)

400.000 Euro

Steuerklasse I

Enkelkinder

200.000 Euro

Steuerklasse I

Eltern und (Ur-)Großeltern (nur im Erbfall)

100.000 Euro

Steuerklasse II

  • Eltern sowie (Ur-)Großeltern (bei Schenkungen)
  • Geschwister
  • Neffen und Nichten ersten Grades
  • Stiefeltern
  • Schwiegerkinder
  • Schwiegereltern
  • geschiedene Ehegatten und Lebenspartner einer aufgehobenen eingetragenen Lebenspartnerschaft

20.000 Euro

Steuerklasse III

  • übrige Personen

20.000 Euro

Übrigens: Kindern steht der Freibetrag je Elternteil zu. Übertragen Mutter und Vater das gemeinsame Vermögen vollständig oder teilweise dem Nachwuchs, kann jedes Kind einen Freibetrag von 800.000 Euro nutzen.

Vermögenswert: je höher, desto mehr Steuern.

Neben dem Verwandtschaftsgrad entscheidet die Höhe des Vermögens über den Anteil des Finanzamts. Faustformel: je niedriger die Steuerklasse und das Vermögen, desto geringer der Prozentsatz, den der Staat von der Habe erhält.

Wert des steuerpflichtigen

Erwerbs in Euro bis

Prozentsatz in der Steuerklasse

 

 IIIIII

75.000

7

15

30

300.000

11

20

30

600.000

15

25

30

6.000.000

19

30

30

13.000.000

23

35

50

26.000.000

27

40

50

über 26.000.000

30

43

50

Wichtig: Wenn vom „steuerpflichtigen Erwerb“ die Rede ist, geht es stets um den Nettowert des Vermögens. Steuersparend berücksichtigt werden dürfen nämlich nur sogenannte Nachlassverbindlichkeiten – etwa Immobilienkredite, die noch nicht getilgt sind. Und: Jener „steuerpflichtige Erwerb“ ist die Summe, die nach Abzug des steuerlichen Freibetrags noch übrigbleibt.

Beispiel: Die Tochter erbt von ihrem verstorbenen Vater, der verwitwet war, 475.000 Euro. In Steuerklasse I steht ihr ein Freibetrag von 400.000 Euro zu. Ihr „steuerpflichtiger Erwerb“ beträgt demnach 75.000 Euro. Davon erhält das Finanzamt 7 Prozent, umgerechnet 5.250 Euro.

Vererben oder verschenken.

Das Wichtigste vorweg: Steuerlich macht es keinen Unterschied, ob ein Vermögen vererbt oder verschenkt wird – was im Jargon auch „vorweggenommene Erbfolge“ genannt wird. In beiden Fällen sind die steuerlichen Freibeträge gleich hoch. Ist es deshalb zumindest steuerlich völlig egal, ob das Eigenheim, das ansehnliche Guthaben auf dem Festgeldkonto und/oder das ETF-Portfolio vererbt oder verschenkt wird? Nein!

Begründung: Die steuerlichen Freibeträge bei Vermögensübertragungen dürfen alle zehn Jahre neu genutzt werden. Folge: Das vorhandene Vermögen kann mit der Zeit ratenweise verschenkt werden, damit das Finanzamt nicht allzu viel davon abbekommt – falls überhaupt. Bei Erbschaften hingegen wirkt der Freibetrag naturgemäß nur ein einziges Mal.

Beispiel: Innerhalb von zehn Jahren und einem Tag kann der verwitwete Vater seiner Tochter ein Festgeldguthaben von insgesamt 800.000 Euro steuerfrei schenken. Sie darf nämlich zweimal ihren Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro nutzen.

Würde die Tochter nach dem Tod ihres Vaters erben, wäre nur die Hälfte von 800.000 Euro steuerfrei, die restlichen 400.000 Euro würden mit 15 Prozent versteuert – umgerechnet wären dies 60.000 Euro fürs Finanzamt.

Bei einem sechs- oder gar siebenstelligen Vermögen dürfte die Übertragung aus der „warmen Hand“, das mehrmalige Schenken also, in den meisten Fällen steuerlich günstiger sein. Sagt der Kopf. Doch oft widerspricht der Bauch. Denn unter emotionalen Gesichtspunkten ist die frühe Weitergabe der in Euro und Cent berechneten Lebensleistung nicht einfach. Ein Kompromiss wäre bei Immobilien beispielsweise die Vereinbarung eines lebenslangen Wohnrechts oder des Nießbrauchs. Solche Verabredungen sollten aber grundsätzlich nicht ohne Hilfe eines Steuerberaters, Notars oder Anwalts getroffen werden.

Die kluge Strategie für die Übertragung des eigenen Vermögens kommt nicht von selbst und wie aus heiterem Himmel. Oft ist es ein hartes Stück Arbeit. Besonders sobald es um stattliche Vermögenswerte geht, die – an wen auch immer – weitergereicht werden sollen. Ohne rechtlichen Beistand besteht die Gefahr, dass teure oder sogar sehr teure Fehler gemacht werden. 


Über den Autor.

Heinz-Josef Simons, Jahrgang 1956, arbeitet seit gut 30 Jahren als Wirtschafts- und Finanzjournalist, überdies seit rund zehn Jahren als Kommunikationsberater.
Nach seinem Magister-Abschluss an der RWTH Aachen in den Fächern Germanistik, Anglistik und Politische Wissenschaft waren die ersten beruflichen Stationen Mitte der 1980er Jahre der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen (Pressesprecher) sowie bis Mitte der 1990er Jahre einer der größten deutschen Finanzvertriebe (Kommunikationschef und Redenschreiber).
Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet er frei. Geschrieben hat er unter anderem für Financial Times Deutschland, Börse Online, das frühere Verbrauchermagazin DM, GeldIdee, Impulse, Capital, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel, Immobilien Manager und zahlreiche andere.


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